Haskala Nr.1:
"Gedenken" - Die Schoa im jüdischen
Religionsunterricht
Zum 9. November Vor 65 Jahren brannten in Deutschland die Synagogen,
jüdische Geschäfte wurden geplündert, Menschen verhaftet und über 90
Menschen ermordet.Vor 65 Jahren mussten Juden in Deutschland Angst haben. Aber auch heute machen sich Juden in Deutschland mehr
Gedanken über ihre Sicherheit als andere Menschen in Deutschland. Vor den
Gemeinden steht die Polizei. Die Gebäude sind mit Kameras ausgerüstet und
die Sicherheitskontrollen an den Türen sind massiv. Wenn die Feiertage anstehen haben manche Angst, in die
überfüllte Synagoge zu gehen, weil die Wahrscheinlichkeit eines Anschlags
steigt. Vor dem Gebäude werden die Menschen gebeten nach dem Gottesdienst
zügig nach Hause zu gehen und nicht noch für ein Schwätzchen stehen zu
bleiben. Eltern machen sich Sorgen, wenn sie ihre Kinder in den
jüdischen Kindergarten schicken oder in die jüdische Schule. Man hält seine
Kinder an, keine offensichtlich jüdischen Symbole auf der Strasse zu tragen,
wie T-Shirts mit Emblem vom letzten Machane (Jugendfreizeit) oder Ketten mit
Davidsternanhängern. Ein
koscheres Lebensmittelgeschäft musste in Berlin
schließen, weil die Attacken gegen den Besitzer und seinen Laden zu stark
waren.
Friedhofsschändungen gehören zum Leben der jüdischen
Gemeinden, wie Bombendrohungen und Drohbriefe.
Judentum kann in Deutschland auch heute nur sicher zuhause
gelebt werden.
Der 9. November sollte ein Tag in
Deutschland sein, an dem die Bevölkerung
nicht nur der ermordeten Juden
und der zerstörten Gotteshäuser
gedenkt, sondern er sollte ein Gedenktag
sein, an dem sich die Bevölkerung
auch an die Täter und an ihre Taten
erinnert. Die Regierung, die Medien
und die Schulen sollten die Taten der
Täter an jedem 9. November zum
Thema machen. Die Tatsache, dass am
9. November 1989 Deutschland wiedervereinigt
wurde, sollte ein Grund mehr
sein, dass Deutschland sich an seine
Vergangenheit erinnert und versucht,
aus ihr zu lernen. Die Geschehnisse
vom 9. November 1938 und 1989 stehen
insofern im Zusammenhang, weil auch
die Teilung Deutschlands eine Folge des
Nazi-Regimes war. Dies macht den 9.
November mit dem Ereignis des Mauerfalls
zu einem noch symbolträchtigeren
Tag und sollte deshalb um so mehr
als Gedenktag für die Gräueltaten der
Nazis stehen.
Die Identifikation mit den Tätern ist
für Jugendliche heute in Deutschland
meist keine aktuelle Fragestellung
mehr. Denn die jungen Menschen sind
keine Täter und auch nicht all die eingewanderten
Ausländer, die in Deutschland
leben. Aber alle sollten über die
Taten der damaligen Täter Bescheid
wissen und Vorurteile gegen Juden sollten
abgebaut werden. Vorurteile gegen
Juden haben nicht nur Deutsche, sondern
auch Türken, Japaner, Franzosen
oder Polen. Dass alle Juden reich sind,
oder dass einige Millionen Juden heute
in Deutschland leben, glauben heute
noch die meisten. Dass in ganz Deutschland
so viele Juden leben wie ungefähr
Türken allein in der Stadt Köln, können
die meisten kaum glauben.
An die Gräueltaten der Nazis und
dem Ausmaß der Schoa wird nicht nur
in Deutschland oder Israel gedacht. Es
existiert heute auch ein europäisches
Gedächtnis, dass sich sogar zu einer globalen
Erinnerung entwickelt hat. Die
Massenvernichtung der europäischen
Juden ist nicht nur zu einem universalen
Orientierungspunkt für Menschheitsverbrechen
geworden, sondern auch
zum Gegenstand einer weltgesellschaftlichen
Erinnerungskultur und zu einer
moralischen Erinnerung.Wichtig ist: die
Partizipation an einer moralischen
Erinnerungsgemeinschaft setzt keine
gemeinsamen ethnischen Wurzeln voraus!
Somit darf der 9. November kein
Gedenktag nur für Deutsche sein, sondern
er soll ein Tag sein, an dem alle, die
in Deutschland leben, an die Verbrechen
der Vergangenheit erinnert werden.
Es sollte daran gearbeitet werden,
dass gegenwärtige Vorurteile abgebaut
werden, auch von muslimischen
Jugendlichen.
Die Regierung und das Ministerium
für Bildung, aber auch die Medien sollten
diese Aufgabe nicht aus den Augen
verlieren und auch weiterhin dafür sorgen,
dass der 9. November in der Bevölkerung
eine im zustehende Bedeutung
behält.
Vgl. hierzu http://www.holocaustforum.gov.se
Vgl.: Viola B. Georgi: Jugendliche aus Einwandererfamilien
und die Geschichte des Nationalsozialismus. In: Beilage
zur Wochenzeitung 'Das Parlament' vom
29.9.2003. Aus Politik und Zeitgeschichte, B 40-41
/2003, S.40-46
Foto: Archiv SGK
Impressum
Haskala
Ausgabe: Gedenken
Herausgeberin und Autorin: Nurith Schönfeld-Amar,
e-Mail: haskala_bildung@yahoo.de
Layout: L&K integrated communications gmbh, Köln
hagalil.com / 2004-01-27 |