Ein Tag zum Gedenken an die Schoa:
Jom haSchoah vehaGwurah
Nurith Schönfeld-Amar
Nach der Gründung des Staates
Israel wurde dort das Bedürfnis geäußert,
einen Gedenktag im jüdischen
Kalender einzurichten, an dem man der
Toten der Schoah gedenkt. Es sollte ein
Gedenktag der Opfer für die Opfer
sein: ein jüdischer Gedenktag.
Im Jahr 1948 erklärte das Oberrabbinat
von Israel den 10. Tewet (jüdischer
Monat, der in die Zeit von
Dezember oder Januar fällt) des jüdischen
Kalenders zum Tag des allgemeinen
Kaddisch-Sagens, das Sprechen des
Trauergebets, für die Toten, deren
Todestag man nicht kennt. 1
Als dann im Dezember 1949 Asche
von ermordeten Juden des KZs Flossenbürg
nach Israel überführt wurde,
beschloss das Ministerium für religiöse
Angelegenheiten, diese am 10. Tewet
beizusetzen. In diesem Zusammenhang
schlug das Ministerium auch vor, den
10. Tewet als Gedenktag für die Opfer
der Schoa einzurichten. Von seiten des
Oberrabbinats wurde dies auch gutgeheißen
und akzeptiert.
Der 10. Tewet erhält seine eigentliche
Bedeutung im jüdischen Kalender
dadurch, dass er einer der sogenannten
kleinen Fasttage ist, an dem man den
Beginn der Belagerung Jerusalems vor
der Zerstörung des Tempels gedenkt.
Zum 9.Aw (jüdischer Monat, der in die
Zeit von Juli oder August fällt), dem
Trauer- und Fasttag an dem beide Jerusalemer
Tempel zerstört wurden, haben
einige Rabbiner Trauerelegien verfasst,
in denen auch die Schoa in die Kette
der zahlreichen Katastrophen der jüdischen
Geschichte eingereiht wird, deren
Anfang die Zerstörung des 1. Tempels
ist.
Im Jahre 1951 schlug der Knesset-
Abgeordnete Rabbi Mordechai Nurock
vor, einen eigenen Tag für das Gedenken
an die Schoa zu schaffen. Er betonte bei seinem Antrag, dass
aufgrund der grausamen Einmaligkeit der Schoa ein eigener Gedenktag
angebracht sei. Dieser
neu eingerichtete Gedenktag sollte
einerseits das gemeinsame Gedenken
an die Opfer der Schoa in den Mittelpunkt
stellen, andererseits den für den
jungen Staat Israel wichtigen Aspekt
des jüdischen Widerstands
beinhalten.
So sollte der Tag
zuerst "Jom Ha'Schoa
Umered Ha'Getaot",
Holocaust- und Ghettoaufstandstag
heißen,
schließlich einigte man
sich dann aber auf "Jom
Ha'Schoa We'HaGwura",
Holocaust- und Heldentumstag.
Der 19. April schien
ein geeignetes Datum zu
sein, der Tag, an dem der
Aufstand im Warschauer
Ghetto begann. Jedoch
fällt dieser Tag im jüdischen Kalender
in die Zeit von Pessach, was problematisch
erschien. Man entschied sich
schließlich für ein Datum nach Pessach;
für den 27. Nissan (jüdischer Monat, der
in die Zeit von April oder Mai fällt).
Dieser Tag liegt einige Tage vor Jom
Ha'Sikaron, dem Gedenktag für die
gefallenen israelischen Soldaten und
dem 1949 eingeführten Jom Ha'Atzmaut,
dem Unabhängigkeitstag Israels.
Jedoch schenkte die israelische
Bevölkerung dem neuen Gedenktag
nicht die gebührende Aufmerksamkeit,
so dass im Jahre 1959 ein Gesetz von
der Knesset verabschiedet wurde, dass
in ganz Israel an diesem Tag ein zweiminütiges
Schweigen eingehalten werden
solle. Während dieser zwei Minuten
solle der Straßenverkehr ruhen und das
Fernsehen- und Radioprogramm dem
Charakter des Tages entsprechen.
Heute hält eine überwältigende
Mehrheit beim Ertönen der Sirene inne
und schweigt.
Die Institution Yad Vashem 2
gestaltet
jedes Jahr diesen Gedenktag u.a. mit
einer Gedenkzeremonie, an der auch
die Regierung teilnimmt und die im
Fernsehen live übertragen
wird. Es wird in
diesem Rahmen auch
an alle nichtjüdischen
Helden gedacht, die
durch den Einsatz ihres
Lebens Juden gerettet
haben. Außerdem werden
im ganzen Land
zahlreiche Programme
in Schulen und anderen
pädagogischen Einrichtung
angeboten,
damit die Schoa und
der dazugehörige
Abschnitt der
Geschichte bei der jüngeren
Generation nicht
in Vergessenheit gerät.
Ein großer Teil der Ultra-Orthodoxie
und Teile der Orthodoxie haben den
Jom Ha'Schoa jedoch nie akzeptiert
und gedenken der Opfer der Schoa
weiterhin am 10. Tewet durch das Kaddisch-
Sagen und durch das Rezitieren
von Trauerelegien am 9.Aw.
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Vgl.: Roni Grosz,
unter: www.hagalil.com/shoah/holocaust/index.htm
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hebräisch: "Denkmal und Gedächtnisstätte" nach Jes.56,5. Eine Einrichtung und Gedächtnisstätte in Jerusalem
für die Helden und Opfer der Schoa, mit Museum, Bibliothek,
Archiv und pädagogischem Zentrum.
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im Internet abhörbar unter:
www.hagalil.com/shoah/i-rahamim.htm
weitere Informationen zum Gedenkgottesdienst unter:
www.hagalil.com/shoah/holocaust/index.htm
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Literatur findet man zu diesem Thema in der Germania
Judaica, die sich in der zentralen Stadtbücherei in Köln
befindet.
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Literatur dazu findet man ebenfalls in der Germania
Judaica (s.o.).
Buchempfehlung: Israel Meir Lau: Wie Juden leben;
Glaube, Alltag, Feste. Gütersloher Verlagshaus Mohn
(Gütersloh) 1990.
Anmerkung: Israel hat den 4.Shwat 5764 (27. Januar 2004) zum
"Tag des Kampfes des Staates Israel gegen Antisemitismus" erklärt.
In vielen europäischen Ländern wird an diesem Tag der Befreiung des
Vernichtungslagers Auschwitz am 27-01-1945 gedacht. Das Bewusstsein
der israelischen Öffentlichkeit soll geschärft und die Solidarität
mit dem Judentum in der Welt gestärkt werden. Es soll ein
Studienprogramm für die Bildungsarbeit der Jewish Agency und anderer
Institutionen, die für die jüdische Erziehung verantwortlich sind,
ausgearbeitet werden. Die Angelegenheit fällt in den Bereich des
Ministeriums für Jerusalem und jüdische Angelegenheiten im Ausland.
Ein Ausschuss wird sich im Februar mit der Frage beschäftigen, wie
der Tag in den kommenden Jahren begangen werden soll.
27.Nisan:
Jom
haSchoah vehaGwurah in Köln
Auch in Deutschland gedenken die jüdischen Gemeinden jedes
Jahr am Jom haSchoah vehaGwurah, dem 27. Nissan, der Opfer der Schoa und
ihrer Helden...
Projekte im jüdischen Religionsunterricht:
Themenbeispiele zum Jom haSchoah
Kiddusch Haschem kann im Deutschen mit "Märtyrertum" oder
"Aufopferung für Gott" übersetzt werden. Schüler der Oberstufe trugen
zusammen, wie Juden auch in den KZs versuchten, ihre Religion weiterhin zu
praktizieren...
hagalil.com / 2004-01-21 |